Zettelkasten

seit 2012

Marburg

Zettelkasten ist der skulpturale Teil der Neugestaltung des Geländes der ehemaligen Synagoge. Ausgangspunkt ist die räumliche Leerstelle, die nicht nur für die Vernichtung einer Synagoge, sondern für das Auslöschen einer ganzen Kultur steht. An dieser Leerstelle, dem Synagogengrundstück, werden 10 Aussagen von ehemaligen jüdischen Gemeindemitgliedern und deren Nachkommen in ebenerdigen Glaskästen lesbar. Dies ist der Startpunkt eines kontinuierlichen Dialogs über den Ort und dessen Bedeutung: im jährlichen Wechsel werden die Zettelkästen mit Aussagen von unterschiedlichen Personengruppen bestückt, die auf die Ausgangszitate Bezug nehmen.

Als Künstler, der sich eher mit temporären und sehr direkt ortsspezifischen Projekten zu Wort meldet, war die Gestaltung der Gedenkstätte am Platz der ehemaligen Synagoge eine besondere Herausforderung. Gedenkstätte, das ist Mahnung und Erinnerung, für gewöhnlich skulptural dauerhaft in Stein oder Bronze gefasst, damit die ewige Gültigkeit des schrecklichen Geschehnisses nicht in Vergessenheit geraten möge. Meine erprobten Werkzeuge kommen zwar aus dem Bildhauerischen, nehmen aber Raum als gelebten Raum wahr und ernst, in dem sie auf kommunikative Art eben die Nutzer*innen dieses Ortes hören und ihnen eine Stimme geben. Es war nicht Ziel des künstlerischen Teams, die Lücke, die in der Reichspogromnacht gerissen wurde, gestalterisch zu füllen, sondern sie sichtbar zu machen und immer wieder zu Wort kommen zu lassen. Wir suchten nach einer Möglichkeit, einen stetigen Ort der Erinnerung zu formulieren, der in ständiger Veränderung alljährlich zur erneuten Kommunikation zwischen Stadtgesellschaft und diesem Ort auffordert.

Mit der historischen Katastrophe im Hintergrund beginnt die Stadtgesellschaft, miteinander zu reden. Und das scheint mir das Wichtigste in schwierigen und gespaltenen Zeiten: dass wir ins Gespräch kommen und im Gespräch bleiben. Nicht einfach, viel Arbeit immer wieder und wieder. So wie die alljährliche Bestückung der Kästen immer wieder die Anstrengung einfordert, erneut Menschen ins Gespräch zu bringen, um auf der Basis der schrecklichen Geschehnisse Anfang November 1938 über unser Zusammenleben, über die Zerbrechlichkeit unserer demokratischen Werte zu sprechen.

Projektseite: garten-des-gedenkens.de

Garten des Gedenkens Anischt.

Kranzniederlegung 9.November.

Interview mit Holocaust überlebender.