“Die Vorgärten der Barbarastraße in Ibbenbüren haben sich vielfach
gewandelt. Als Bergmannsiedlung in den 1950er Jahren entstanden,
wechselte über die Zeit die ursprüngliche Nutzung mit Obstbäumen
über Tannenreihen und Rasenflächen hinter dem Jägerzaun hin zu einer
umfassenden Dominanz von Arrangements mit formgeschnittenen
Büschen und Bäumchen.
Als gäbe es eine unausgesprochene Vorschrift, nutzen nun nahezu alle
Hausbesitzer das gleiche, für unsere Breiten eher unnatürliche Pflanzenmaterial,
um damit ihre Vorgärten individuell und besonders, aber
zugleich den Nachbarsgärten gleichend einzurichten. In erstaunlicher
Varianz formulieren sich raumgreifende Installationen aus Kuben, Kugeln,
Kegeln und Lineaturen – die Art der Arrangements hat eine Verwandtschaft
mit Kompositions-Kriterien einer streng formalen, minimalistischen
Kunst. Mal systematisch strukturiert, mal rätselhaft angeordnet, zwischen
Natur und Künstlichkeit, freiem Wuchs und Ordnung, markieren sie den
Bereich zwischen Haus und Straße, als eigentümlich ordnende Raumzo ne
zwischen dem Privaten und dem Öffentlichen.
Aber auch die Periode des Formschnittgehölzvorgartens scheint ausgezählt.
Der Buchsbaumzünsler und eine Pilzerkrankung dezimieren den
Bestand massiv, und ein fortschreitender Pragmatismus verwandelt die
Vorgärten vielleicht schon bald in gepflasterte und verkieste Flächen, in
denen der Bewuchs durch Steinstelen ersetzt ist.
Einen Sommer lang war ich zu Gast in der Barbarastraße, um die
Vorgärten dort plein-air zu aquarellieren.”
Oliver Gather, Topiary Land, 2017